- Vorzeigeobjekt in Mastbrook: Die neue Mehrzweckhalle konnte 2019 eingeweiht werden. Kostenpunkt: 7,2 Millionen Euro
- Im sogenannten Eiderschlösschen auf dem Gelände der ehemaligen Eiderkaserne ist das Job-Center eingezogen
- Am Obereiderhafen soll im neuen Jahr mit den Arbeiten für ein Hotel begonnen werden. Die Zuversicht ist da, dass dem langjährig brachliegenden Areal endlich nachhaltig Leben eingehaucht wird.
Viel wird über ihn gesprochen – wir haben mit ihm gesprochen: Redakteur Markus Till traf Rendsburgs Bürgermeister Pierre Gilgenast zum ausführlichen Neujahrs-Interview.
RENDSBURGerleben: Herr Gilgenast, vor 15 Monaten sind Sie Vater geworden. Wie ist das für Sie mit Ihrem kleinen Sohn?
Pierre Gilgenast: Es ist das größte Geschenk, unglaublich. Es rückt vieles zurecht und relativiert vieles im Berufsleben. Es ist ganz viel Glück und Zauber, das zu erleben. So ein kleiner Alexander ist schon toll.
Was stellen Sie für sich persönlich als große Veränderung fest?
Natürlich neben allem Schönen und Wunderbarem, das das Kind in das Leben von meiner Frau und mir gebracht hat, bringe ich nochmal ein ganz anderes Verständnis für alleinerziehende Eltern mit. Wenn ich sehe, was es bedeutet, ein Kind zu haben und dafür verantwortlich zu sein. Die Gedanken, die man sich zum Wohl des Kindes macht, und ich stelle mir vor, das alles wird geleistet auch von Alleinerziehenden, egal ob Väter oder Mütter, die arbeiten und das nicht selten mit geringen Verdienstmöglichkeiten, mit ganzer Hingabe und Liebe für das Kind da zu sein, man müsste wirklich ernsthaft darüber nachdenken, dafür Denkmäler zu errichten. All denen kann ich nur meinen Riesenrespekt aussprechen. Das ist eine Wahrnehmung, die jetzt bei mir gewachsen ist. Das konnte man früher zwar erahnen und vermuten, aber jetzt sage ich: Alle Achtung!
Es ist so, dass viel über Sie und die Bürgermeisterwahl in diesem Jahr gesprochen wird, aber Sie selbst kommen eher selten zu Wort. Warum, meinen Sie, ist das so?
Mit feststehendem Wahltermin wird es sicherlich intensiver. Dieser steht noch nicht einmal fest. Der letzte Termin war in der zweiten Jahreshälfte, damit ist auch in diesem Jahr zu rechnen. Für mich ist es keine große Veränderung, weil ich mich immer bemüht habe, sehr nah bei den Menschen und bei vielen Veranstaltungen dabei – also mittendrin – zu sein. Das ist etwas, was sich für mich im Wahlkampf fortsetzt.
Das klingt, als würden Sie den Wahlkampf herbeisehnen.
Herbeisehnen nicht, aber ich mag Wahlkampf, weil der Fokus auf der Arbeit liegt. Man bekommt noch einmal eine ganz andere Aufmerksamkeit auf die eigene Arbeit. Das ist mein fünfter Direktwahlkampf, man findet noch einmal anders Gehör. Die Bevölkerung ist besonders aufmerksam und macht sich selbst schlau. Daher mag ich diese Zeit sehr.
Kennen Sie Ihre Gegnerin um den Posten, Frau Sönnichsen?
Man hat sich mal getroffen, aber sonst gab es keine großen Berührungspunkte. Aus dem politischen Raum kenne ich sie gar nicht.
Es tut sich viel in Rendsburg. Dennoch sind viele Geschäfte sind geschlossen, gefühlt scheint der Niedergang der Stadt seit 10 Jahren bevorzustehen. Immerhin haben die Soldaten bereits 2008 Rendsburg verlassen.
Ja, das stimmt. Der Bundeswehr-Weggang 2008 ist in der Nachbetrachtung ein Einschnitt. Das war eine wahre Zäsur für die Stadt. Und gleichzeitig dazu trug die Entscheidung zu großen Projekten 2007/08 bei, mit denen man sich vor dem Hintergrund der Veränderung in der Stadt auch von der Größenordnung vielleicht sogar übernommen hat.
Welche Projekte meinen Sie konkret?
Das Obereider-Projekt etwa und das Projekt Eiderkaserne – es selbst als Stadt zu entwickeln. Beide haben sehr lange gedauert, sind 10-Jahres-Projekte, ähnlich wie die Kieler Hörn. Zum Teil hat man geahnt, dass es so lange dauern könnte, aber so ein 38-Millionen-Projekt an der Obereider; da hat man nach meinem Eindruck geglaubt, das ginge schneller. Erst im dritten Anlauf wurden die nötigen Investoren dafür gefunden.
„Der Bundeswehr-Weggang war eine Zäsur.“
Wie ist die aktuelle Entwicklung?
Ich bin im Jahr 2019 zufrieden mit der Entwicklung, die die Großprojekte genommen haben. Ich bin deshalb damit zufrieden, weil das große Projekt Hertie läuft. Da haben wir auch viel getan und sind selbst aktiv gewesen, selbst mit in der Vermarktung gewesen.
Man sieht dort ja auch, dass sich was tut. Am Obereiderhafen sieht man hingegen nichts …
Aber: Der Investor ist so weit in seiner Entscheidungsfindung, dass wir für ihn eine Sonderratsversammlung einberufen werden. Das hat den Hintergrund, dass er sich entschieden hat, dort ein Hotel und andere Gebäude mit Einzelhandel- und Dienstleistungsangebot bauen zu wollen. Deshalb ist das Jahr 2019 für mich gut zu Ende gegangen. Für das Großprojekt Eiderkaserne gilt das gleiche. Das sind jetzt die Dinge, die ich anpacken und zukunftsträchtig gestalten möchte, damit es dort vorangeht. Vorangegangen ist es auch in der Zwischenzeit – aber jetzt wird es sichtbar und damit für jeden wahrnehmbar.
Am Obereiderhafen soll im neuen Jahr mit den Arbeiten für ein Hotel begonnen werden. Die Zuversicht ist da, dass dem langjährig brachliegenden Areal endlich nachhaltig Leben eingehaucht wird.
Viel getan wurde dennoch, die Investitionen waren hoch in den vergangenen Jahren.
Schulen und Kindergärten sind in den letzten Jahren der wesentliche Schwerpunkt gewesen. Es sind über 20 Millionen Euro in den letzten 10 Jahren allein in diesem Bereich investiert worden. Und auf dem Gelände der Eiderkaserne konnte das Eiderschlösschen vermarktet werden, dort ist das Job-Center eingezogen. Dazu gehen wahrscheinlich Ende Februar die ersten 5.000 Quadratmeter an der Untereiderstraße in die Bebauung, dort entstehen Eigentumswohnungen.
Sie können also langsam die Ernte einfahren, die mal ausgesät wurde.
Man atmet durch. Genau. Viel zu spät zwar – es gibt wahrscheinlich keinen Menschen, der sich mehr darüber gefreut hätte, wenn es früher gewesen wäre, aber …
Man wird ungeduldig.
So ist es. Man muss es immer erklären. Solange der Eindruck entsteht, da passiert nichts oder es ist zumindest nicht sichtbar, dann ist man häufig in einer erklärenden Funktion. Das, was vorbereitend gemacht wird, ist schwer erkennbar. Ein weiterer Punkt ist, wenn man nicht allein ist mit diesen Projekten. Einmal, weil man vielleicht Zuschüsse und Förderungen aus dem Land braucht und damit dann auch den Regularien dort unterliegt. Das ist das eine, was Zeit kostet. Das andere ist definitiv die Suche nach Investoren, weil man es eben nicht selber herstellt.
Für eigene Maßnahmen gilt das nicht?
Das stimmt, wie zum Beispiel Kindergartenerweiterungsbauten. Also da, wo wir nicht abhängig sind von Zuschüssen, dort wo es in eigener Verantwortung liegt, kann man viel mehr steuern. Auch deswegen freue ich mich auf jeden Fall auf 2020, weil diese Dinge langsam ein Gesicht bekommen. Aber keine Frage, ich hätte das auch gerne früher gehabt. Dann hätte ich mir so manche Erklärung und Diskussion erspart. Aber diese Dinge kann man auch nur bedingt beeinflussen. Wichtig ist nur, dass man sich daran festbeißt und auch bereit ist, dicke Bretter zu bohren.
Was ist Ihnen noch positiv im Kopf?
Das Schleswig-Holsteinische Landestheater, das jetzt seinen Sitz in Rendsburg hat. Wie es noch einmal einen Schub bekommen hat, merken wir an den Zuschauerzahlen und am Angebot. Ich finde auch, die Stadtteilarbeit, gerade im Stadtteilnorden, in Mastbrook, ist mit der Mehrzweckhalle Mastbrook ein Riesenerfolg geworden. Diese war eine Einzelinvestition in Höhe von 7,2 Millionen Euro. Aus meiner Sicht hilft das dem Stadtteil wirklich enorm.
„Man sieht die Investitionen in Mastbrook.“
Der Stadtteil ist seit vielen Jahren sehr verrufen.
Aber da haben wir in den letzten Jahren mit dem Bau der grünen Mitte, mit den Investitionen in die Schule, mit den Sozialpartnern, dem Stadtteilhaus, einer Stadtteilzeitung, einem Stadtteilfest, aber eben auch mit der Mehrzweckhalle als Treffpunkt und Ersatzturnhalle für die Schule, wirklich viel erreichen können. Und das merkt man auch, wenn man durch geht.
Sie sind sehr positiv.
Ja, ich bin mit diesem Jahr zufrieden, freue mich sehr, wenn es sich 2020 so fortsetzt. Im Februar soll der Kanaltunnel freigegeben werden. Man glaubt anderen Behörden an dieser Stelle nur noch sehr eingeschränkt. Dafür hat es zu viele Verlängerungen gegeben oder Dinge, die kompliziert geworden sind.
Macht Sie das auch rasend – so wie beinahe jeden, der den Kanal über- oder unterqueren muss?
Ja, na klar. Weil man eben machtlos ist. Man kann telefonieren, ruft im Ministerium an. Wir haben sehr erfreulich zusammen gearbeitet mit dem Unternehmensverband, sind gemeinsam in Berlin vorstellig geworden seinerzeit. Das hat den Druck erhöht. Der ADAC hat verhältnismäßig stark Druck gemacht in Berlin. Aber in der Wahrnehmung bleibt etwas anderes: Man wird dafür mitverhaftet.
Weil niemand Ausreden hören will.
Dabei sind es keine Ausreden. Deshalb freue ich mich, wenn der Kanaltunnel endlich fertig ist, weil man von einer Bundesbehörde mitverhaftet wird. Für mich ist es das Wesentliche, Zukunft zu gestalten. Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, die Stimmungslage so positiv zu drehen, dass man dann eben sagt: Jetzt blüht der Standort Rendsburg voll erreichbar wieder auf.
Ein weiteres Projekt, das sich gefühlt ewig hinzieht, ist die Schwebefähre. Wie sieht es damit aus?
Auch da kann man sagen, wir haben von uns aus immer mit angeschoben, sind bei jeder Veranstaltung mit dabei, machen zeitlich Druck, so man es denn kann. Aber auch hier hat die Bundesbehörde, in diesem Fall ist das Wasser-Schifffahrtsamt der Ansprechpartner, das Sagen. Im Augenblick stehen alle Zeichen auf den Herbst 2020.
Gibt es Kompensationszahlungen für die Stadt?
Nein.
Sie haben es also auszubaden, wenn niemand mehr die andere Kanalseite erreicht, weil zeitgleich auch die Rader Hochbrücke Probleme macht?
Genau. Was wir ausgehandelt haben, ist eine Querungshilfe bei Großveranstaltungen. Deshalb fährt die Fähre Falkenstein zum Beispiel zur Norla und zum Rendsburger Herbst.
Wie großzügig …
Auf der anderen Seite: Wir wissen, es sind 9,5 Millionen Euro bereitgestellt worden für eine neue Schwebefähre. Die ersten 3,5 sind bereits verbaut in die neue Führung der Schwebefähre. So weit, so gut. Das Fährgefährt selber wird in Bayern hergestellt. Die Herausforderung für die beauftragte Firma ist, die neue Elektrotechnik zu berechnen, damit daraufhin der Stahlbau folgen kann, weil es kaum Vorbilder gibt. Die letzte aktuelle Schwebefähre, weltweit diskutieren wir über 9 Stück, die im Bereich Elektrik/Elektronik modernisiert worden ist, ist die im spanischen Bilbao. Das wäre die einzige Referenz. Bis zum Herbst 2020 heißt es: Wir alle können es kaum erwarten. Die Schwebefähre hat natürlich eine große Symbolkraft.
Im sogenannten Eiderschlösschen auf dem Gelände der ehemaligen Eiderkaserne ist das Job-Center eingezogen
Sie zieht viele Touristen an.
Absolut, ja. Und dann freuen wir uns auch schon auf die 125-Jahr-Feierlichkeiten für den Nord-Ostsee-Kanal. Ein zentraler Punkt wird davon in Rendsburg sein.
Was ist da geplant, können Sie das schon verraten?
Es werden mehrere Veranstaltungen, ein Schiffskonvoi ist auf jeden Fall vorgesehen. In Rendsburg wird es ein maritimes Programm geben.
Wann wird das stattfinden?
Der Termin, der kursiert, ist die erste Juni-Hälfte. Wir rechnen auch mit politischer Vertretung. Mindestens genauso wichtig ist mir, dass die Bevölkerung auch daran teilhaben kann, dass es einen volksfestartigen Charakter hat. Wir Rendsburger können natürlich verschiedene Dinge einbinden, wir werden unser Stadtmuseum zu diesem Zeitpunkt neu eröffnen, wenn alles klappt. Das hat zwei besondere Schwerpunkte, einer der beiden ist der Nord-Ostsee-Kanal und der Einfluss auf die Entwicklung der Stadt. Das passt natürlich super gut.
Ist noch mehr geplant?
Wir wollen auch andere Veranstaltungen unter dieses Label stellen. So wird es auch im Rahmen des SH Netz Cups einen besonderen Part geben, der dem 125-jährigen Geburtstag Rechnung trägt. Die Schwebefähre, so es denn der Herbsttermin wird, könnte im Rahmen 125 Jahre Nord-Ostsee-Kanal als Schlusspunkt eines Jubiläumsjahres, das sich anlehnen soll an die Traumschiffsaison, als Schlussakkord wieder fahren. Dann wäre es perfekt.
Sie sprachen schon große Investitionen in der Vergangenheit an: Wie steht es um die Verschuldungslage der Stadt?
Wichtig ist dabei, folgendes zu wissen: Die Entwicklung an unseren Kindergärten, die neuen Gruppen – es sind 203 neue Plätze geschaffen worden – und Schulanbauten, haben über 20 Millionen in den letzten 10 Jahren gekostet, waren zum Teil aber auch fremdfinanziert. Das heißt, es drückt auf die Verschuldenslage der Stadt. Aber man darf nicht aus dem Auge lassen: Wenn die Stadtverschuldung zugenommen hat, dann sind es Projekte dieser Art gewesen. Das sind die Mehrzweckhalle, sozialer Bau oder aber Schulen und Kindergärten.
Also zukunftsgewandt in die Infrastruktur.
Ganz genau. Nicht, wie viele denken, dass es gerade für die Finanzierung der laufenden Arbeit benötigt wird. Es ist quasi eine Projektfinanzierung, die damit in Zusammenhang steht. Zwei Projekte finde ich dabei übrigens besonders schön: Das eine ist, alles was mit dem historischen Kern Rendsburgs zu tun hat – also die Identität dieser Stadt. Die Stadtgeschichte, die Prägung dieser Stadt, ist für mich ein absolutes Zukunftsthema. Es ist aus meiner Sicht kein geschichtliches Thema, nach hinten gewandt, nachbetrachtet, sondern etwas, das aus meiner Sicht in die Zukunft getragen werden muss.
Vorzeigeobjekt in Mastbrook: Die neue Mehrzweckhalle konnte 2019 eingeweiht werden. Kostenpunkt: 7,2 Millionen Euro
Man kann es ja miteinander verknüpfen.
Richtig. Das ist das eine, die Initiativen, jetzt eben auch am Althausbestand, sind sehr gut – wobei diese Häuser, um die es dabei geht, aus dem 17. Jahrhundert stammen. Und wenn man an die Eigner herantritt, man muss wissen, dieser ist auch gut und gern mal mit einer Million Euro dabei bei seinem eigenen Haus. Das heißt, es ist auch manchmal schnell etwas gefordert. Dabei geht es eben auch um richtig viel Geld für den Eigentümer.
Aber es gibt doch auch viele Häuser, die von ihren Eigentümern gar nicht genutzt werden. Die sind in deren Bestand, aber finden keine oder wenig Beachtung.
Wir stellen das gerade bei den Häusern fest, die in Fremdverwaltung sind. Und wenn Häuser verkauft sind, oder in Verwaltungsholdinggesellschaften, die nicht ortsansässig sind. Dort spüren wir die Ferne, und die Ansprechpartner sind auch gedanklich weit weg. Dann haben wir auch die Gruppe derjenigen, die Eigentum haben – in Erbengemeinschaften zum Beispiel – die also nicht alleine verfügungsberechtigt sind. Aber es gibt auch einen großen Teil, dem der Aufwand als Erben zu groß wird. Und diese zu überzeugen, das ist eine intensive Tätigkeit. Der andere große Bereich ist der Leerstand, den wir haben, zunehmend weniger wirklich gewollter. Es gab eine Zeit, da gab es auch in den leerstehenden Geschäften noch Pachtverhältnisse mit großen Ketten. Wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen schon raus waren, aber noch laufende Pachtverträge hatten, die dann aus diesen Jahren den Pachtzins bemessen hatten. Und das hat sich für die Eigentümer mehr gelohnt, das laufen zu lassen als neu zu verpachten. Aber das läuft mit der Zeit aus.
Und dann gibt es noch die Region Rendsburg.
Diese neue Idee, mit einer Gesellschaft – der Region Rendsburg 2030 – zu sehen, wie sich das aufbaut und als neue Möglichkeit gesehen wird und da jetzt das neue Projekt kommt mit der Idee, zumindest kurzfristig Unternehmen reinzuholen, Pop-up-Geschäfte am Altstädter Markt, die sich entwickeln. Wenn sie bleiben umso schöner, wenn sie nicht bleiben, muss man natürlich sehen, dass das System bei bleibt. Wir haben auf der anderen Seite eine Eigentümerversammlung im Dezember gehabt, mit Menschen, mit denen wir uns unterhalten wollten, was können wir als Stadt dazu beitragen, die Gebäude in die Nachnutzung zu geben.
Ist es denn erstrebenswert, dort wieder Geschäfte hinein zu bekommen? Oder sollen lieber Wohnungen in der Innenstadt entstehen?
Ich glaube, die Wahrheit wird in der Mitte liegen. Mit einer leichten Überbetonung fürs Wohnen. Bei den richtig alten Häusern geht es auch um die Frage der Barrierefreiheit.
Generell sind Altstadtsanierungen schwierig.
Das ist eine Möglichkeit und eine weitere ist immer damit verbunden, ob noch mal besondere Projekte oder für Altstadtsanierungsmaßnahmen aufgelegt werden vom Land, dem Staat oder auch von uns als Stadt. So sichert man sich eine zusätzliche Förderung. Die ist allerdings nach jetziger Lesart nur noch für die Altstadt gegeben, nicht mehr für das Neuwerk. Dort ist es aber in den 1980ern, 1990ern sehr erfolgreich gemacht worden, über 138 Millionen Euro wurden investiert. Aber ein derartig vergleichbares Programm gibt es zurzeit seitens des Landes nicht. Es gibt aber Gespräche, wenn Bürgermeister und Innenminister sich treffen, über Städte mit vergleichbaren Herausforderungen, also Altstadtkerne, die vor der gleichen Situation stehen.
Weil es eben nicht nur Rendsburg so geht.
Absolut. Ich bin ganz erschrocken, wie es in Kiel im Augenblick aussieht. Mein Kollege in Itzehoe kämpft mit diesen Problemen. Der Mittelrücken Schleswig-Holsteins hat diese Herausforderung. Etwas freigeschwommen haben sich die Küstenstädte. In Husum beispielsweise ist die Tourismusförderung sehr gut angenommen worden.
Eckernförde genauso.
Eckernförde, Timmendorfer Strand. Alles, was von Urlaubern angefahren wird. Diesen Vorteil haben wir so nicht. Was wir natürlich haben, und darum ist es auch so wichtig, dass beim Kanaltunnel und der Schwebefähre ein positives Ende realisiert wird. Dann muss einfach die Aufgabe sein, positiv in die Zukunft zu schauen und das auch zu bewerben. Das heißt also, wie so häufig im Leben: Es hat alles seinen richtigen Zeitpunkt. Und das Entscheidende ist, um die Zukunft zu gestalten, dann auch richtig loszulegen.
Es gibt den Vorschlag, RD-Marketing und die Tourist-Info in einem Service-Center zu vereinigen. Wie stehen Sie dazu?
Worüber man reden müsste ist, ob wir nicht eine ganz andere Organisationsform als Stadt anstreben, an der sich andere beteiligen können. Diese Art der Organisation hatten wir vor einigen Jahren schon in Form einer Bürogemeinschaft. Die sollte es nicht mehr geben, das ist politisch nicht verlängert worden. Diese Entscheidung ist aus meiner Sicht falsch gewesen seinerzeit, vor drei Jahren meine ich war das.
Haben Sie eine Vorstellung?
Was ich im Augenblick favorisiere ist: Wir haben uns als Kommunen 2008 auf den Weg gemacht, enger zusammenzuarbeiten im Rahmen einer Gebietsentwicklungsplanung. Daraus ist die Entwicklungsagentur entstanden. Das heißt 13 Kommunen, die eng und organisiert zusammenarbeiten. In der Zwischenzeit haben wir auch daraus die Aktivregion entwickelt, mit EU-Mitteln. Und wir haben dann zur Entwicklungsagentur jetzt auch die Organisationsform von Rendsburg 2030 als GmbH, wo Kommunen und Wirtschaft zusammen sind. Ich glaube, nach alledem, was ich so erlebe, wäre eine gemeinsam getragene Tourismussituation unter 2030, also für die Region und nicht mehr im Kleinen gedacht, der richtige Weg – weil ich glaube, dass diese Region und Rendsburg als Zentrum mittendrin die Stärke haben müssen, mit einem Alleinstellungsmerkmal ganz fest zu stehen.
Würde sich dadurch die Wahrnehmung Rendsburgs verändern?
Ich denke, dass Rendsburg, wenn es denn so nach außen getragen und beworben wird, nochmal ein ganz anderes Gewicht haben kann. Wir diskutieren ja heute über Metropolregionen. Obwohl wir ja offiziell der Metropolregion Kiel angehören, habe ich von der Kiel Region GmbH diese Werbewirkung für Rendsburg nie kennengelernt. Und deswegen wäre hier auch Stärke der Eigenständigkeit in der zentralen Lage mit Anbindung durch einen offenen Kanaltunnel, mit den Unternehmen, mit Weltmarktführern wie ACO, Hobby, Wolters Lapmaster in wirtschaftlicher Hinsicht, mit der Schwebefähre und Hochbrücke als Symbolik, mit dem Nord-Ostsee-Kanal im touristischen Bereich mit der zentralen Lage hier und mit dem in der Tat ja noch sehr breiten Kaufangebot. Und zwei große Vorteile kommen für uns noch hinzu: Das eine ist der Gesundheitsstandort Rendsburg, bedingt durch den größten Arbeitgeber in der Region, der Imland-Klinik, den zivilen Ärzten, die sich hier auch in Rendsburg niedergelassen haben. Wobei wir die Herausforderung haben mit Allgemeinmedizinern. Aber auch dazu gibt es Lösungsansätze. Also das Paket Dienstleistung, auf der anderen Seite ich habe keine andere Mittelstadt in Schleswig-Holstein kennengelernt, die so ein starkes Kulturangebot hat. Diese Bandbreite – Gesundheit, Kultur, Tourismus, zentrale Lage – das sind die Punkte, die aus meiner Sicht ganz stark bespielt werden müssen. Und sie werden auch authentisch und glaubhaft, wenn die Systeme funktionieren.
Man kommt immer wieder darauf zurück …
Das ist so, man kommt immer wieder darauf zurück. Für mich ist entscheidend: Das Jammern war gestern, die Gestaltung der Zukunft ist Aufgabe von heute. Darum muss es einfach gehen. Ich hätte mir diese ganze Entwicklung ein, zwei Jahre früher vorgestellt, aber man hat es eben nicht alleine und selber in der Hand.
Kommt für Sie somit der Wahlkampf eher zum Ende des Jahres zum günstigeren Zeitpunkt, als wenn die Wahl schon zur Jahresmitte käme? Viele lasten Ihnen ja auch diese Dinge an wie zum Beispiel die Verkehrssituation.
Alles, was man sehen kann, ist für einen Wahlkampf immer unterstützend. Weil man präsentieren muss, es muss wahrnehmbar sein. Wenn ich in den Schulen unterwegs bin, bekomme ich eine ganz tolle Zustimmung. Wenn man in den Kindergärten ist, sagt man, gut, dass wir diese Angebote haben. Die Bauten, die wir in Mastbrook gemacht haben, das ist erlebbar. Wenn wir in der Holsteiner Straße die Rendsburg-dänische Geschichte in Granitblöcken zeigen, ist die Reaktion: Das ist großartig, was ihr da gemacht habt, weil man das eben sieht. Das sind die Momente, von denen man sagen kann: Es kommt wirklich an.
Was auffällt: Meistens kommt positive Resonanz von denen, die nicht in Rendsburg wohnen oder empfinden Sie das anders?
Das erleben wir tatsächlich, ja, gerade von den Touristen. Weil die Anzahl der Touristen aber auch auffällig hoch ist. Wir haben über 40.000 Übernachtungen und sind wirklich stark trotz der bekannten Probleme. Wir haben auch außerhalb der Saison in der Hotellerie Belegungszahlen von 86 Prozent.
Deswegen lohnt sich wahrscheinlich auch, im Obereiderhafen ein zusätzliches Hotel zu bauen.
Das sind alles richtig gute Indikatoren dafür. Gerade der Tourist, und das sind eben viele, die nehmen auch die besonderen Gebäude wahr. Der Altstädter Markt, das Landestheater sind als Beispiel zu nennen. Und das macht die Bedeutung dieser Stadt deutlich. Aber sie hat aus meiner Sicht ihren Schlag wegbekommen mit dem Weggang der Bundeswehr. Umso schöner ist jetzt die Nachricht, dass das LTG zwar geschlossen wird zum 31. Dezember 2021, aber dass es die Nachnutzung des Flugplatzes gibt. Das ist die positive Adventsbotschaft.
Worauf blicken Sie außerdem positiv zurück?
Was Rendsburg wirklich gut gelöst hat, ist die Flüchtlingssituation ab 2015. Was wir da erarbeitet haben, die Begleitung der Flüchtlinge und auch, das was wir gesellschaftspolitisch aus meiner Sicht gut hinbekommen haben, das Miteinander in der Gesellschaft durch entsprechende Lehrgänge, dadurch, dass wir auch außen vor Ort gewesen sind. Also immer mittendrin und uns auch gezeigt haben. Es hat sich keiner weggeduckt, da ist eine Menge erreicht worden. Übrigens sind aus dieser Situation 10 Prozent der Bevölkerung an Zuwachs zu verzeichnen. Rendsburg ist jetzt bei knapp 30.000 Einwohnern. Und wir haben rund 3.000 neue Bürger aus dieser Flüchtlingssituation.
Gefühlt sind Ballungen auf offener Straße wie damals nicht mehr gegeben, oder?
Das nehme ich im Moment auch so wahr, ja. Aber man kann natürlich nie ausschließen, dass man dieses subjektive Empfinden hat. Wir sind da aber hochsensibel. Wenn diese Situationen wieder auftreten, und wir hatten sie, als die Landesunterkunft neu in Rendsburg war, und damit verbunden gab es Trittbrettfahrer. Es sind ausländische Bevölkerungsgruppen, die hatten mit der Erstaufnahme überhaupt nichts zu tun, waren dort nicht ansässig, auch nicht im Rahmen des Asyls oder ähnlichem, sondern kamen aus anderen Städten hierher und haben sich auf die Situation bettelnd draufgesetzt. Und jeder dachte, das würde mit der Flüchtlingssituation zusammenhängen.
Haben Sie einen bestimmten Vorsatz für das neue Jahr?
Den wichtigsten Vorsatz habe ich bereits realisiert: Mit dem Rauchen aufzuhören. Das ist zwar schon zwei Jahre her, aber ich habe gern ein Pfeifchen geraucht, um ehrlich zu sein. Aber das Verlangen ist weg. Das ist abgearbeitet.
Zum Abschluss formulieren Sie doch bitte Ihre Wünsche für 2020 – privat wie beruflich.
Gesundheit ist sehr wichtig für Kind und Familie. Da hängt wirklich ganz viel dran. Gesundheit bekommt nochmal einen ganz anderen Stellenwert, wenn ein Kind im Haus ist. Beruflich wünsche ich mir ein erfolgreiches Wahljahr 2020. Ich würde unglaublich gern die nächsten acht Jahre diese angeschobenen Dinge zu Ende bringen und zugleich das Thema Zukunft mit meiner Erfahrung im Amt weiter bestreiten.
Das ganze Interview lest ihr in der aktuellen Ausgabe der RENDSBURGerleben.